Ob Sie Compliance-Verpflichtungen in Deutschland haben, wird durch das EU-Recht, d. h. die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 bestimmt. Es gibt verschiedene Elemente, die dabei berücksichtigt werden müssen:
- Die Art von biologischem Material, das verwendet wird (beachten Sie, dass die Verordnung auch für assoziiertes traditionelles Wissen gilt)
- Woher das Material stammt
- Wann das Material ursprünglich entnommen wurde
- Welche Art von Forschung Sie durchführen
Diese Elemente sind kumulativ d.h. sie müssen alle betrachtet werden, um herauszufinden, ob die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 auf Sie anwendbar ist.
Wer hat Verpflichtungen?
Die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 gilt sowohl für kommerziell als auch für nicht-kommerziell und Grundlagenforschende.
Die Verordnung bezieht sich auch auf Individuen sowie Rechtsträger, die unter den Geltungsbereich fallen. Dazu gehören wissenschaftliche Institute, wie Universitäten und öffentliche Forschungsinstitute.
Aufsichtsbehörden erfüllen eine Reihe von Aufgaben in Bezug auf Lebensmittelsicherheit, Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze und/oder Produktqualität, die möglicherweise unter den Geltungsbereich der Verordnung fallen könnten. Diese Behörden werden von der Verordnung nicht ausgeschlossen, nur weil sie Aufgaben für die deutsche Regierung durchführen.
Achtung! Die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 stimmt nicht unbedingt 1:1 mit den nationalen Gesetzen des Landes überein, aus dem Ihr Forschungsmaterial stammt. Das bedeutet, dass die Gesetze des Bereiststellerlandes für Sie gelten könnten, aber das EU-Recht nicht. In diesem Fall müssen Sie immer noch Ihre nationale ABS-Genehmigung beachten und Ihr Vorteilsausgleichsabkommen einhalten, haben aber keine zusätzlichen Compliance-Verpflichtungen in Deutschland.
Die Art von Material
Das Nagoya-Protokoll und die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 beziehen sich nicht auf biologisches Material.
Die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 bezieht sich auf „genetische Ressourcen“. Biologisches Material klingt vermutlich für Forschende verständlicher, aber es ist wichtig zu verstehen, was eine „genetische Ressource“ ist.
Genetische Ressource – Worüber reden wir?
„Genetische Ressourcen“ sind:
- genetisches Material – dies umfasst Material tierischen, pflanzlichen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, das funktionale Einheiten der Vererbung, d. h. Gene enthält UND
- das Material hat einen tatsächlichen oder potenziellen Wert
Lassen Sie sich durch das Wort „Wert“ nicht verwirren. Zu den genetischen Ressourcen gehört auch Material, das für die nicht-kommerzielle Forschung verwendet wird.
„Genetische Ressourcen“ sind NICHT:
- Menschlich (aber das menschliche Biom kann abgedeckt sein) ODER
- pflanzengenetische Ressourcen in Anlage I des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft („Pflanzenvertrag“)* ODER
- pandemische Influenzastämme, die unter das Pandemic Influenza Preparedness Framework („PIP Framework“)* fallen
* Dieses Material kann unter die EU-Verordnung fallen, wenn:
- das Material aus einem Land entnommen wird, das nicht Vertragsstaat dieser beiden Abkommen ist, aber ein Nagoya-Protokoll-Vertragsstaat ist ODER
- das Material für einen Zweck verwendet wird, der nicht in den beiden Verträgen abgedeckt wird.
Es geht nicht nur um DNA!
Die Forschung an natürlich vorkommenden biochemischen Verbindungen, die aus der genetischen Expression oder dem Metabolismus von „genetischen Ressourcen“ resultieren, ist ebenfalls abgedeckt. In der ABS-Welt werden diese Verbindungen als „Derivate” bezeichnet.
Was sind Beispiele für Derivate?
- Proteine
- Enzyme
- Lipide
- organische Verbindungen wie Flavonoide, ätherische Öle oder Harze aus Pflanzen.
Die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 gilt nur für Derivate, wenn ein erkennbarer Grad an Kontinuität zwischen ihnen und dem genetischen Material, aus dem sie gewonnen wurden, herrscht.
Kontinuität?
Nach dem EU-Leitfaden existiert Kontinuität zwischen der „genetischen Ressource“ und dem Derivat dort, wo:
- Die Forschung am Derivat einen Teil der Forschung an der genetischen Ressource darstellt ODER
- Sie, Ihr Kooperationspartner oder ein Dienstleister das Derivat von einer genetischen Ressource zum Zweck Ihrer Forschung entnehmen ODER
- Sie das Derivat von jemandem erhalten und bereits Zugangs- und Vorteilsausgleichsverpflichtungen bestehen, die die zukünftige Forschung an dieser biochemischen Verbindung beinhalten
Nach dem EU-Leitfaden gibt es keine Kontinuität, wenn:
- Das Derivat von einer dritten Partei als ein Produkt erworben wurde, das auf dem Markt erhältlich ist UND
- Das Derivat ohne Zugangs- und Vorteilsausgleichsverpflichtungen erworben wird, die die beantragte Forschung abdecken.
Manche Länder vertreten bezüglich Derivaten einen anderen Standpunkt als die Europäische Union. Die nationalen ABS-Gesetze des Landes, aus dem das Material ursprünglich stammt, beziehen sich möglicherweise auf Derivate, die unabhängig von der genetischen Ressource beschaffen werden, d.h. Sie erhalten nur die biochemische Komponente. Denken Sie daran, sich an die nationalen ABS-Gesetze des Landes, welches das Material bereitstellt, zu halten, auch wenn die EU Verordnung nicht greift.
Was sagt der EU-Leitfaden über die Art von Material aus, das von der Verordnung abgedeckt wird?
Laut dem EU-Leitfaden fallen Laborstämme nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 511/2014. Laborstämme werden als lebende Organismen, die typischerweise in Massenproduktion hergestellt und oft von kommerziellen Anbietern bereitgestellt werden, verstanden. Darüber hinaus sind sie genetisch definiert, weisen eine geringe Heterozygotie auf und unterscheiden sich von jeglichem Elternmaterial, das zu ihrer Entwicklung durch Mutation, Züchtung, Selektion usw. verwendet wurde. Laborstämme werden in der Forschung häufig als Modelle verwendet und sind oft seit vielen Jahren (manchmal Jahrzehnten) im Einsatz.
Der EU-Leitfaden definiert die menschliche Mikrobiota als alle Mikroorganismen, die sich auf oder im menschlichen Körper befinden während das „Mikrobiom“ die kollektiven Genome all dieser Mikroorganismen (Bakterien, Viren, Pilze usw.) ist.
Das menschliche Mikrobiom wird als nicht-menschlich betrachtet, d.h. es könnte für das Nagoya-Protokoll relevant sein.
Der Leitfaden weist darauf hin, dass die Forschung an Mikrobiota nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 fällt, wenn:
- sie in situ (d.h. im oder am Körper) untersucht werden;
- der Fokus auf der einzigartigen Zusammensetzung der Mikrobiota eines Individuums liegt;
- sie nur die taxonomische Identifizierung beinhaltet.
Die Forschung an der Mikrobiota wird als potenziell im Anwendungsbereich der EU-Verordnung betrachtet, wenn die Forschung an einzelnen Taxa, die aus einer Probe isoliert wurden, stattfindet und dies nicht mehr Teil der einzigartigen mikrobiellen Zusammensetzung einer einzelnen Person ist.
Viele biologische Proben haben andere Organismen an oder in sich, z.B. Parasiten, Schädlinge, Krankheitserreger, Symbionten und die Mikrobiota. Der EU-Leitfaden betrachtet diese Organismen als „assoziierte Organismen“.
Die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 und die Sorgfaltsplicht könnten für solche „assoziierte Organismen“ auch gelten (vorausgesetzt, das Material fällt in ihren Anwendungsbereich). Der Leitfaden merkt an, dass es in manchen Fällen nicht klar sein wird, wo die Verbindung zwischen dem Material und den assoziierten Organismen entstanden ist und es deswegen unmöglich sein könnte, das Bereitstellerland zu identifizieren.
Auch Material aus privatem Bestand kann für das Nagoya-Protokoll relevant sein.
Gehandelte Waren, die in ihrem ursprünglichen kommerziellen Sinn verwendet werden, sind für die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 nicht relevant. Wenn Sie jedoch eine gehandelte Ware, die z. B. für den Verbrauch bestimmt war, zu Forschungszwecken verwenden, gilt dies als eine Absichtsänderung. Das Material könnte potenziell in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen und wenn ja, müssten Sie Ihre Sorgfaltspflicht erfüllen.
Der EU-Leitfaden weist darauf hin, dass, wenn die chemische Struktur einer Verbindung als Ergebnis von Forschung und Entwicklung verändert wurde, die Verbindung nicht als natürlich vorkommend angesehen wird und daher nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 fällt.
Ebenso fallen synthetisch hergestellte Verbindungen nicht in ihrem Anwendungsbereich.
Die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 gilt nicht für Sequenzinformationen aus öffentlich zugänglichen Datenbanken.
Wenn Forschende Sequenzen aus Material generieren, ist es nach dem Leitfaden möglich, dass diese Verwendung oder Veröffentlichung solcher Daten durch Regelungen abgedeckt sind, die in den einvernehmlich festgelegten Bedingungen festgelegt wurden und eingehalten werden sollten. Dies kann die Information nachfolgender Akteure über alle mit den Daten verbundenen Rechte und Pflichten und deren weitere Verwendung umfassen.
Traditionelles Wissen
Traditionelles Wissen, das mit „genetischen Ressourcen“ verbunden ist, wird in der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 definiert als traditionelles Wissen einer indigenen oder lokalen Gemeinschaft, das für die Nutzung der genetischen Ressourcen relevant ist und als solches in den einvernehmlich festgelegten Bedingungen für die Nutzung der genetischen Ressourcen beschrieben wird.
Um in den Anwendungsbereich der EU-Verordnung zu fallen, ist es notwendig, dass sich das traditionelle Wissen auf die Forschung an der genetischen Ressource oder einer biochemischen Komponente des Materials bezieht (d.h. „Nutzung“), und es muss von den Vorteilsausgleichabkommen abgedeckt werden.
Woher das Material stammt
Nur für Länder des Nagoya-Protokolls
Das Land, aus dem das Material ursprünglich kommt, wird „Bereitstellerland“ genannt. Die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 gilt nur, wenn das Material ursprünglich aus einem Land kommt, welches zum Zeitpunkt der Entnahme ein Mitglied des Nagoya-Protokolls war.
Das bedeutet, dass Sie herausfinden müssen:
- Ob das Land Mitglied des Nagoya-Protokolls ist UND
- Wann es Mitglied des Nagoya-Protokolls wurde.
Sie finden diese Informationen unter dem jeweiligen Länderprofil im ABS Clearing House.
Achtung! Es gibt manche Nicht-Mitgliedsstaaten des Nagoya-Protokolls, die auch Gesetze zum Zugang und Vorteilsausgleich haben! In diesem Fall müssen Sie sich trotzdem an die nationalen Gesetze, Ihre nationale ABS-Genehmigung und Ihre Vorteilsausgleichsvereinbarung halten, aber Sie haben keine weiteren Compliance-Verplichtungen in Deutschland.
Nationale Gesetze für Zugang und Vorteilsausgleich
Das Nagoya-Protokoll gilt nur an Orten, wo Länder das Recht haben, nationale Gesetze zu erlassen. Material aus Gegenden, die außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit liegen, sind für das Nagoya-Protokoll nicht relevant, zum Beispiel auf hoher See.
Die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 gilt für Sie nur, wenn:
- das Land, aus dem das Material stammt, den Zugang regelt; UND
- Diese ABS-Regelung sich auf Ihr Material bezieht. Es ist möglich, dass das Gesetz nur für bestimmte Arten von Organismen oder Material gilt, das in bestimmten Gebieten gesammelt wurde; UND
- Diese Regelungen schon zum Zeitpunkt der Materialentnahme galten.
Informationen über „ABS-Gesetze“ finden Sie im ABS Clearing House.
Nur weil im ABS Clearing House keine Gesetze aufgeführt sind, heißt das nicht, dass keine existieren. Leider ist das ABS Clearing House nicht immer vollständig oder aktuell.
Was sagt der EU-Leitfaden zur Herkunft des Materials?
Es macht keinen Unterschied, ob Sie das Material vor Ort sammeln oder es indirekt, d. h. über einen Vermittler wie eine Sammlung, ein Unternehmen oder einen Kooperationspartner, erhalten. Die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 kann weiterhin gelten.
Sobald sich gebietsfremde und invasive Arten oder biologische Schädlingsbekämpfungsorganismen in einem EU-Land selbst erhalten, wird davon ausgegangen, dass sie ursprünglich aus diesem EU-Land stammen, auch wenn sie dort nicht heimisch sind.
Nach dem EU-Leitfaden ist das Bereitstellerland des menschlichen Mikrobioms Deutschland, wenn:
- eine Probe von einer Person genommen wird, die sich in Deutschland aufgehalten hat, auch wenn die Person in einem anderen Land ansässig ist
- die Proben aus Abwasserproben in Deutschland entnommen werden.
Deutschland ist nicht das Bereitstellerland, wenn:
- die Proben von einem Labor in einem anderen Land nach Deutschland geschickt werden. In diesem Fall wird es das Land sein, in dem die Probe gesammelt/entnommen wurde.
- die Probe unmittelbar nach Ankunft einer Person in Deutschland entnommen wird. In diesem Fall gilt als Bereitstellerland das Land, in dem die Person wohnt.
Was ist zu tun, wenn es ist nicht möglich ist, das Bereitstellerland zu identifizieren?
Die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 verbietet die Nutzung vom Material für die Forschung nicht, wenn die Herkunft des Materials trotz bester Bemühungen nicht bestimmt werden kann.
Jedoch müssen Sie bedenken, dass Sie Ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen müssen, sobald mehr Informationen zugänglich sind, um das Herkunftsland des Materials zu bestimmen (angenommen das Material fällt in den Anwendungsbereich der EU-Verordnung). Wenn sich herausstellt, dass es ABS-Regelungen im Bereitstellerland gibt, die Sie betreffen, sind Sie dazu verpflichtet die Situation zu beheben. Sie müssen sofort mit der Forschung aufhören, bis Sie die nötigen ABS-Dokumente erhalten haben.
Wann wurde das Material entnommen?
Die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 gilt nur für Material, welches ursprünglich am oder nach dem 12. Oktober 2014 vom Bereitstellerland entnommen wurde. Es ist irrelevant, ob die Forschung zu einem späteren Zeitpunkt beginnt.
Manche Länder hatten rechtlich bindende ABS-Regeln BEVOR das Nagoya-Protokoll existierte. Nur weil der Zugang zum Material vor 2014 erfolgte, bedeutet das nicht, dass es keine Zugangs- und Vorteilsausgleichverpflichtungen für das Material gelten (selbst wenn die EU-Verordnung nicht gilt).
Was ist zu tun, wenn es ist nicht möglich ist, den Zeitpunkt des Zugangs zu ermitteln?
Die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 verbietet die Nutzung vom Material nicht, wenn der Zeitpunkt des Zugangs trotz bester Bemühungen nicht bestimmt werden kann.
Jedoch müssen Sie bedenken, dass Sie Ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen müssen, sobald mehr Informationen zugänglich sind, um den Zeitpunkt des Zugangs zu bestimmen (angenommen, das Material fällt in den Anwendungsbereich der EU-Verordnung). Wenn sich herausstellt, dass es ABS-Regelungen im Bereitstellerland gibt, die sie betreffen, dann sind Sie dazu verpflichtet die Situation zu beheben. Sie müssen sofort mit der Forschung aufhören, bis Sie die nötigen ABS-Dokumente erhalten haben.
Die Forschung
Forschung in Deutschland
Damit Sie Compliance-Verpflichtungen haben, muss die Forschung in Deutschland stattfinden. Kooperationspartner aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben ebenfalls Compliance-Verpflichtungen, weil sie dem EU-Gesetz auch unterliegen.
Kooperationspartner außerhalb der Europäischen Union, z.B. in den USA, haben keine Verpflichtungen nach der Verordnung (EU) Nr. 511/2014.
Auch Mitarbeitende aus dem Ausland, die für einen Teil oder die gesamte Forschung nach Deutschland kommen, müssen die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 einhalten.
Nutzung
Um Compliance-Verpflichtungen zu haben, muss Ihre Forschung als „Nutzung“ gelten. Nutzung bedeutet Forschung (einschließlich Grundlagenforschung und nichtkommerzieller Forschung) und Entwicklung an der genetischen UND/ODER biochemischen Zusammensetzung des Materials, auch durch die Anwendung von Biotechnologie.
Was sagt der EU-Leitfaden zu Nutzung?
Entwicklung von Test- oder Referenzmaterial
Die Entwicklung von Test- oder Referenzmaterial gilt als Nutzung, wenn Forschung an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung einer genetischen Ressource involviert ist.
Verwendung von Test- und Referenzmaterialien
Das Verwenden von Material als Testplattform oder Referenzmaterial gilt nicht als eine Nutzung. Beispiele für solche Test-/Referenzwerkzeuge, auf die sich der EU-Leitfaden bezieht, sind:
- Labortiere, die genutzt werden, um ihre Reaktion auf medizinische Produkte zu testen
- Vektoren, die verwendet werden, um Fremdmaterial (z. B. Krankheitserreger oder Gene) in andere Organismen einzuführen
- Wirte, die für Klonungszwecke genutzt werden, z.B. E. coli
- Krankheitserreger zum Testen von Biokontrollmitteln und Biostimulanzien
- Ratten, die in toxikologischen Studien verwendet werden, um synthetisierte Verbindungen zu testen
- Verwendung von Organismen als Biofabriken, z. B. Zellen für die Impfstoffherstellung
- Bakterien, die zum Testen der Wirksamkeit von Verbindungen verwendet werden, die Kandidaten für neue Antibiotika gegen diese Bakterien sind
Wenn keine Erforschung der Gene, der Funktion der Gene oder der (neuen) DNA-Sequenzen erfolgt, gilt die Konstruktion einer Phylogenie als nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 511/2014 fallend. Die Analyse von sogenannten „Marker-Genen“ zur Interpretation der Phylogenie, wenn sie unabhängig von der Funktion der Gene durchgeführt wird, löst somit keine Sorgfaltspflichten aus. Die Nutzung und Interpretation der Ergebnisse des phylogenetischen Baumes zur Generierung neuer Erkenntnisse könnte eine Nutzung sein.
Der genaue Übergang von der Phylogenie/Taxonomie zur Verwertung muss im Einzelfall geklärt werden.
Die Identifizierung und Klassifizierung von Organismen werden nicht als Nutzung betrachtet, so lange die Forschung nicht die genetische und/oder biochemische Zusammensetzung des Organismus untersucht.
Taxonomische Identifizierung von biologischem oder genetischem Material durch morphologische oder molekulare Analyse und auch mithilfe von DNA-Sequenzierung gilt nicht als Nutzung nach der EU-Verordnung, solange sie nicht die Entdeckung spezifischer Gene und/oder biochemischer Funktionalitäten involviert. Es gibt keinen Unterschied darin, ob die taxonomische Identifizierung auf eine bekannte oder neue Art verweist.
Wenn die Beschreibung oder Charakterisierung einer „genetischen Ressource“ mit der Forschung verbunden ist, die auf die Entdeckung oder Untersuchung spezifischer genetischer und/oder biochemischer Merkmale ausgerichtet sind, würde dies als Nutzung gelten.
Zuchttiere oder Pflanzen zur Produktion oder zur Erhaltung einer nachhaltigen Bevölkerung zählen nicht als Nutzung.
Material von einer kommerziellen Quelle (z.B. einem Züchter) zu nehmen und für die Forschung an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung des Materials zu nutzen, zählt als „Zweckänderung“ und kann in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 fallen.
Wie könnte das Material eines kommerziellen Züchters in den Anwendungsbereich der EU-Verordnung fallen?
- Das Land, in dem der gewerbliche Züchter ansässig ist, kann den Zugang regeln, einschließlich des von gewerblichen Züchtern bereitgestellten Materials.
- Das vom Züchter für die Produktentwicklung verwendete Material beinhaltet Nagoya-relevantes Material aus einem anderen Land und es gibt bereits Verpflichtungen, die auch für die spätere Nutzung dieses Materials für die Forschung gelten.
Das Material lediglich aufzubewahren oder auszustellen, z.B. in einem Naturhistorischen Museum, zählt nicht als Nutzung.
Das Sammeln von Material gilt nicht als Nutzung.
Samen oder anderes reproduktives Material lediglich zu pflanzen und zu ernten ist keine Nutzung.
Die Isolierung einer neuen biochemischen Verbindung ist eine Nutzung.
Die gentechnische Veränderung von Lebewesen gilt als eine Nutzung.
Das Liefern und Verarbeiten von biologischen Rohmaterialien, z.B. um in ein Material eingeführt zu werden, ist keine Nutzung.
Die Forschung, die zur Entwicklung eines Laborstamms führt, wird als Nutzung betrachtet. Mit anderen Worten: Die Schaffung eines neuen oder modifizierten Laborstamms könnte Nagoya-Protokoll-relevant sein, je nachdem, woher das Ausgangsmaterial stammt. Die nationalen Gesetze des Bereitstellerlandes bestimmen, ob das Material ABS-Verpflichtungen auslöst oder nicht.
Gemäß dem EU-Leitfaden bleibt ein neu geschaffener Stamm im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 511/2014, bis er für Labore/Forschende öffentlich zugänglich gemacht wird.
Es kann sein, dass manche Forschungsaktivitäten nicht als „Nutzung“ nach der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 gelten ABER die ABS-Gesetze im Bereitstellerland sehen dieselben Aktivitäten als ABS-relevant an.
Checkliste
Verwenden Sie diese Checkliste, um herauszufinden, ob Sie Compliance-Verpflichtungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 haben.
Findet die Forschung in Deutschland statt?
Erfolgte der Zugang zum Material im Bereitstellerland ursprünglich AM oder NACH dem 12.Oktober 2014?
War das Land, aus dem das Material ursprünglich stammt, zum Zeitpunkt des Zugangs Vertragspartei des Nagoya-Protokolls?
Hatte das Bereitstellerland zum Zeitpunkt des Zugangs nationale Gesetze, die den Zugang zu dieser „genetischen Ressource“ geregelt haben?
Forschen Sie an Material, das Gene enthält ODER forschen Sie an Derivaten, d. h. an Produkten der Genexpression wie Proteinen, Metaboliten etc. UND es besteht eine ausreichende Kontinuität zwischen dem genetischen Material und dem Derivat?
Handelt es sich bei Ihrer Forschung um eine Nutzung, d.h., um Forschung (einschließlich Grundlagenforschung und nichtkommerzieller Forschung) und Entwicklung an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung des Materials, auch durch Anwendung von Biotechnologie UND dies führt zu neuen Erkenntnissen?
Wenn Sie ALLE Fragen mit Ja beantwortet haben, haben Sie Compliance-Verpflichtungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 511/2014.
Weitere nützliche Ressourcen
Werkzeuge:
Die Universität Kiel hat eine nützliche Checkliste entwickelt, um herauszufinden, ob Sie in den Anwendungsbereich der EU-Verordnung fallen.
Der niederländische National Focal Point stellt auf seiner Website ein Tool zur Verfügung, mit dem Forschende feststellen können, ob ihre Tätigkeiten in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallen.
Websites:
Auf der Website der EU-Kommission zum Nagoya-Protokoll finden Sie eine Reihe von nützlichen Ressourcen.
Die BfN-Seite über Rechtsfragen deckt eine Reihe von Themen ab, darunter auch Fragen zu den Sorgfaltspflichten.
Leitfaden:
Der EU-Leitfaden kann Ihnen helfen, den Geltungsbereich der EU-Verordnung besser zu verstehen.